Tages-Anzeiger – ALPHA DER KADERMARKT DER SCHWEIZ Interview with Wirz-Partners
Die Informatik spielt im HR eine immer wichtigere Rolle. Bei der Kandidatensuche und der Personalauswahl kommt eine Vielzahl an Software-Tools zum Einsatz. Headhunter Erik Wirz erklärt, wie sie funktionieren und wo ihre Grenzen liegen.
Interview: Stefan Krucker
Erik Wirz, welche Technologien werden heute zur Mitarbeitersuche verwendet?
Die Suche mit Inseraten ist heute primär durch sogenannte Job Aggregators getrieben. Ein Beispiel für einen solchen Job Aggregator ist Google-for-Jobs, der in den USA schon länger aktiv ist und 2019 auch in der Schweiz lanciert wurde. Google-for-Jobs und die anderen Job-Aggregatoren durchsuchen das Internet nach Stellenausschreibungen und zeigen sie den Suchenden gezielt an.
Was muss eine Firma unternehmen, um von den Aggregatoren berücksichtigt zu werden?
Praktisch nichts: Wenn die Firma die Stellenausschreibung auf ihrer Website veröffentlicht, wird diese automatisch von den Job- Aggregatoren gefunden und kategorisiert. Die Krux an der Geschichte ist die Konkurrenz: In der Regel ist man als Unternehmen nicht allein auf der Suche nach Fachleuten. Wie prominent ein Inserat angezeigt wird, hängt unter anderem vom Verhalten der Suchenden ab: Wenn ein Inserat länger betrachtet oder häufiger angeklickt wird, wird es zukünftig prominenter angezeigt als die anderen Inserate. Man muss also aussagekräftige und interessante Stelleninserate aufschalten. Je langweiliger und irrelevanter das Inserat, desto eher verschwindet es im Datenmeer.
Welche Rolle spielt Linkedin?
Linkedin wird immer wichtiger, weil es mit seinen Profilen sehr viele Daten besitzt. Aller- dings muss man das relativieren: Viele Profile befinden sich nicht auf dem aktuellen Stand. Der durchschnittliche User, der nicht eine Stelle sucht, kümmert sich nicht permanent um sein Linkedin-Profil. Was in den Linkedin- Profilen steht, ist daher häufig drei oder vier Jahre alt. Oder die Profile sind nicht vollständig ausgefüllt, was dazu führt, dass die Leute unpassende Jobangebote angezeigt bekommen. Dann kann es leicht passieren, dass sie die Vorschläge in Zukunft generell ignorieren.
Wie werden heute Bewerbungen in den Unternehmen verarbeitet?
Viele Firmen verwenden sogenannte Application Tracking Systems. Diese Systeme stellen den Workflow sicher. Wenn es ein CV durch verschiedene mehr oder weniger automatisierte Assessments hindurch geschafft hat, macht sich das CV auf die Reise durch die Firma. Die erste Station ist der Recruiter, hier
wird das CV zum ersten Mal von einem Menschen gelesen. Das Application Tracking System stellt auch sicher, dass der ganze Prozess revisionskonform rückverfolgbar ist. Das ist ein Aspekt, der immer wichtiger wird.
Welche Kriterien kommen bei der automatischen Vorauswahl zur Anwendung?
Wenn man beispielsweise davon ausgeht, dass Personen, die weiter weg wohnen, schneller kündigen, kann die Distanz zwischen Wohn- und Arbeitsort ein Kriterium sein. Ein weiteres Kriterium ist natürlich die Erfahrung, die eine Person zu einem bestimm- ten Thema gesammelt hat. Das kann man heute sehr einfach maschinell analysieren. Ebenso die Sprachen, die Ausbildungen oder die Branchenkenntnisse.
Was müssen Kandidatinnen und KandiTagesdaten beim CV berücksichtigen?
Das CV muss eine vernünftige Struktur auf- weisen. Ausserdem soll es nicht aus einer Innensicht heraus formuliert sein, also nicht mit Begrifflichkeiten, die der aktuelle Arbeitgeber verwendet. Stattdessen muss man sich überlegen, was der Industriestandard ist: Wie sagt man der Abteilung üblicherweise in der Branche? Das Gleiche gilt auch bei den Job- titeln, hier sind die Leute und die Firmen manchmal erfinderisch. Diese Titel werden von den Maschinen aber nicht erkannt, und sie spucken im Zweifelsfall ein Nein aus.
Was heisst das betreffend Aus- und Weiterbildungen?
Auch hier sollte man die üblichen Bezeichnungen verwenden. Bei Abschlüssen, die älter sind und die es heute so nicht mehr gibt, sollte man auch die entsprechenden aktuellen Bezeichnungen aufführen, damit die Pro- gramme diese Qualifikationen erkennen.
Welche Software kommt zum Einsatz, um die Eignung von Bewerberinnen und Bewerbern zu beurteilen?
Für Softwareingenieure gibt es zum Beispiel Hackerrank, das spezifisch für diese Berufsgruppe entwickelt wurde und die Kompetenzen des Bewerbers misst. Man kann das Tool auf der eigenen Website einbinden. Der Bewerber zeigt, was er kann, und der Arbeitgeber entscheidet erst danach, ob er ihn einladen will. Dann gibt es Lösungen wie Pymetrics, damit arbeiten beispielsweise Accenture, Mc Donalds oder Unilever. Hier geht es um die Soft Skills, Kulturfragen, die Art und Weise, wie die Leute gemanagt werden wollen. Die Kandidaten beantworten einen Fragebogen und die Software überprüft, wie gut diese Antworten zur Firma passen.
Es gibt auch Software, die aufgrund einer Video- oder Tonaufnahme die Eignung eines Bewerbers beurteilt. Analysiert werden beispielsweise die Stimme, die Wortwahl, die Betonung und der Gesichtsausdruck. Ist das seriös?
Die Software wird von namhaften Firmen wie Vodafone oder PWC genutzt. Der Vorteil von Hirevue und ähnlichen Systemen sind die Strukturiertheit und die Vergleichbarkeit. Wenn wir solche Sachen einsetzen, tun wir das immer begleitend. Die Tools dienen der Verifikation oder dem Aufdecken von bestimmten Sachen, die man noch nicht gesehen hat. Ein Entscheid für oder gegen eine Anstellung aufgrund von solchen Tools ist sehr heikel, da sind wir noch weit davon entfernt. Man muss auch bedenken, dass die verwendeten Algorithmen von Menschen programmiert wurden. Ohne dass man das als Unternehmen erkennen kann, enthält der Algorithmus vielleicht einen Bias, der nicht den eigenen Unternehmenswerten entspricht.