Erik Wirz im Interview mit dem KMU MAGAZIN
von: Erik Wirz
KMU ist ein People’s Business. Und wenn der Patron oder die Chefin, die oft auch die Inhaberin ist, an die Pension denkt, dann tun sie dies am besten früh genug. Fünf Jahre sind eine minimale Richtgrösse. Die frühzeitige Planung ist aber nur eine von vielen Herausforderungen, die sich bei der Suche nach einem/einer Nachfolger*in und bei der darauffolgenden Stabsübergabe ergeben. Sechs häufige Stolpersteine – und wie man ihnen am besten begegnet.
«Es ist noch zu früh, an die/den nächste*n Geschäftsführer*in zu denken»
Meistens, so zeigt es die Praxis, ist es eben nicht zu früh. Rechnen Sie zurück: Sie starten mit dem Projekt und bestimmen das Wunschprofil des Nachfolgers. Für die Suche selbst rechnen Sie mindestens drei, eher sechs Monate inklusive Interviewrunden und Assessments ein. Mit der Kündigungsfrist kann gut und gerne ein Jahr ins Land ziehen. Für Einarbeitung und Übergabe sind noch einmal ein bis zwei Jahre einzurechnen. Falls es sich bei Ihrem Fall um eine Unternehmensübergabe mit entsprechender Finanzierung handelt, rechnet man mit fünf bis sieben Jahren für die Übergabe – und häufig braucht es noch einmal so viel Zeit für ein Earn- bzw. Fade out der/des Inhabers/Inhaberin.
«Meine Nachfolge kann mich nahtlos ersetzen»
Ein Nachfolgeprozess, sei er auch noch so professionell aufgesetzt, bringt für Stakeholder wie Partner*innen, Mitarbeitende oder Aktionär*innen Unsicherheit mit sich. Zusätzliche Strukturen in der Organisation können unterstützen, diese Unsicherheit abzufedern – zum Beispiel eine Nachfolgekommission, eine erweiterte Geschäftsleitung, etc. Fast ebenso wichtig wie die Einarbeitung ist auch die «Ausarbeitung» bzw. das Fade out der bestehenden Inhaber*in bzw. des/der Geschäftsführer*in. Planen Sie auch diesen Schritt unbedingt frühzeitig. Welche Rolle nehmen die Parteien in der Start-, in der Übergangsphase und in der Schlussphase ein? Wie kann das Know-How weiterhin erhalten bleiben und in welcher Form? Hier sind klare Rollen und Disziplin wichtig – ein Aussenblick und regelmässige Feedbackrunden helfen beiden, bei den Abmachungen zu bleiben und damit die Organisation nicht unnötig zu belasten.
«Mein Profil ist auch übermorgen noch aktuell»
Wenn Sie Ihre Stelle heute ausschreiben würden – woran orientieren Sie sich? An der Stellenausschreibung von 1983, als Sie sich beworben hatten? Oder an Ihrem CV und Ihren Qualifikationen? Das ist zwar ehrenwert, nützt aber dem Unternehmen nichts. Schliesslich suchen Sie jemanden, der in der Zukunft führt und die Bedürfnisse zukünftiger Kunden kennt, der Methoden und Know-how von heute mitbringt. Hat sich in Ihrer Branche während der letzten zehn Jahre wenig oder viel verändert? Wie haben sich die Kommunikationsmittel, die Zielgruppen, die Kundenansprüche entwickelt? Wenn sich da viel getan hat, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass sich für die/den künftigen CEO andere Ansprüche stellen als für Sie damals. Und wenn Sie schon beim Dokumentieren sind: Als Inhaber*in oder CEO besteht oft kein Pflichtenheft oder es ist aus einer historischen Zeit. Es ist aber eine wichtige Grundlage für das Suchprofil und hilft Recruitern oder Beratern, den/die richtige/n Kandidat*in zu finden.
«Vertraulichkeit ist oberstes Gebot»
Die Zeiten von Entscheidungen hinter verschlossenen Türen sind vorbei. Je transparenter ein*e Geschäftsführer*in die Pläne für ihre/seine Nachfolge macht, desto mehr profitiert die Organisation. Klar sollten Sie diesen Punkt nicht in Ihrer allerersten Verwaltungsratssitzung anbringen. Aber er zeigt vorausschauendes Denken und Handeln. Nehmen Sie die Organisation unbedingt mit im Prozess – er ist Teil der Strategie und gehört in die übergeordnete Organisationsplanung. Davon profitiert ihr*e Nachfolger*in genauso wie Sie selbst. Und es ist auch total in Ordnung, wenn Sie noch nicht alles zu jeder Zeit wissen. Diesen Prozess durchlaufen die meisten Führungspersonen nur einmal in ihrem Leben – umso wichtiger ist er. Wer offen anspricht, dass das Unternehmen eine*n Nachfolger*in braucht, der erhält bestenfalls Zuspruch aus den eigenen Reihen – oder eine/n Kandidat*in, die/der bisher nicht auf dem Radar war.
«Das können wir alleine stemmen»
Privat mögen Sie die Steuererklärung selbst ausfüllen – aber für Ihr Unternehmen haben Sie garantiert jemanden, der Sie dabei berät. Ab einer gewissen Unternehmensgrösse und -bewertung ist es einfach sinnvoll, Spezialisten beizuziehen. Das gilt besonders bei der Nachfolge. Warum? Weil es mit einer reinen Kandidat*innenvermittlung nicht getan ist. Sie suchen schliesslich nicht Ihren Doppelgänger, sondern jemanden, der die Anforderungen der Zukunft erfüllt. Und gleichzeitig fällt bei einem Nachfolgeprozess einiges an Beratungsbedarf an, welcher durch eine neutrale Aussenperson beziehungsweise durch ein systematisches Coaching besser abgedeckt werden kann. Vielfach liegt die Basis der Unternehmenskultur bei KMU am/an der Inhaber*in. Deshalb ist der Transformationsprozess von einer «Kultur» in die nächste eine schwierige und wichtige Phase, die man nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte. Externe Berater helfen zudem bei der «Ent-emotionalisierung» vieler Themen, die im Zusammenhang mit der Verschiebung von Machtgefügen auftauchen.
«Dann passen wir gleich noch den Auftritt an»
Verlockend – der neue CEO kommt mit begleitenden Spezialeffekten. Neues Logo, geschärfter Purpose oder Positionierung der Firma, veränderte Strukturen… machen Sie nicht den Fehler, an zuvielen Schrauben gleichzeitig drehen zu wollen. Lassen Sie dem/der Neuen Luft für eigene Veränderungen. Der Prozess der Nachfolge ist schon anspruchsvoll genug. Oft genug passiert damit schon eine gewisse Professionalisierung der Organisation – gezwungenermassen. Corporate Governance-Strukturen, Pflichtenhefte und Reporting Lines werden klarer wahrgenommen und offengelegt. Klar messbare Ziele sollten für den/die neue*n CEO genauso gelten wie für das restliche Team.
«Über den Preis reden wir noch»
Wer ein Unternehmen ganz oder teilweise übernehmen will oder sich durch Einkäufe langfristig beteiligen möchte, der sollte sich mit dem/der bestehenden Inhaber*in ziemlich schnell auf einen Kaufpreis einigen. Dieser sollte im Idealfall auf einer klar ersichtlichen Messmethode beruhen (z.B. dem Mittelwertmodell), mit der sich beide Parteien identifizieren können. Holen Sie sich – ob als Inhaber*in oder als Käufer*in – auf jeden Fall Unterstützung von einem/r Spezialist*in. Gerade in Dienstleistungs- und Beratungsfirmen ist dies essentiell, da viel Werthaltiges direkt mit dem/der Patron*ne verknüpft und schwer replizierbar ist. Eine weitere zeitliche Dimension bezieht sich noch auf die Phase, in der sich ein Unternehmen gerade befindet. Eine*n Nachfolger*in sucht man in den besten, nicht in den schlechtesten Zeiten – also in der Blütezeit der Firma.
So gelingt die Nachfolge:
Fünf Tipps von Profi Erik Wirz
1. Planen: früh genug und in Abstimmung mit der Organisation angehen.
2. Priorisieren: es geht schliesslich um nichts weniger als das Fortbestehen des Unternehmens
3. Prozesse trennen: Gleichzeitig mit der Nachfolge weitere Prozesse anzustossen, kann schnell zur Herkulesaufgabe werden.
4. Profis an Bord holen: Eine Aussensicht ist Gold wert.
5. Kommunizieren: offen informieren von Anfang an – mit Ihrem Leadership-Team, allen Mitarbeitenden, dem potenziellen Nachfolger, ihrem Coach. Eine transparente Kommunikation ist die Grundlage für den Erfolg.