Erik Wirz im Interview mit der NZZ
von: Michael Ferber, Illustration Charlotte Eckstein / NZZ
Wann sich eine Weiterbildung wirklich lohnt – und wie man den Arbeitgeber dazu bringt, sie zu bezahlen
Eine Weiterbildung kann die Basis für den nächsten Karriereschritt sein und dabei helfen, den Lohn zu steigern. Sie muss aber zur beruflichen Situation passen. Was bei der Auswahl und der Finanzierung des geeigneten Programms zu beachten ist.
Die Schweiz ist ein «Weiterbildungsland». Laut dem Bundesamt für Statistik (BfS) haben sich im vergangenen Jahr 45 Prozent der Bevölkerung weitergebildet. Ein hoher Wert, sollte man meinen – doch im Vergleich zum Jahr 2016 gab es sogar einen Rückgang von 17 Prozentpunkten. Dies erklärt das BfS vor allem mit der Corona-Pandemie – schliesslich war der Unterricht vor Ort während längerer Perioden nicht möglich.
Zu den besuchten Weiterbildungen zählen einerseits Programme an Hochschulen sowie anderseits Kurse und Schulungen bei der Arbeit. Auffällig an der Statistik ist, dass der Anteil der Personen, die an Weiterbildungen teilnehmen, mit zunehmendem Bildungsniveau steigt. Von den Menschen mit einem Abschluss auf Tertiärstufe besuchten 62 Prozent eine Weiterbildungsveranstaltung, während es bei den Personen ohne nachobligatorische Ausbildung lediglich 16 Prozent waren.
Das Angebot an entsprechenden Weiterbildungsprogrammen in der Schweiz ist riesig. Viele Berufstätige absolvieren beispielsweise MAS- oder DAS-Studiengänge. Die Abkürzungen stehen für «Master of Advanced Studies» und «Diploma of Advanced Studies», wobei Ersterer umfangreicher ist. Noch eine Stufe darunter gibt es das CAS, eine Weiterbildung mit dem Abschluss «Certificate of Advanced Studies». Andere Beispiele für Weiterbildungen sind ein Master of Business Administration (MBA) oder im Finanzbereich der CFA-Titel (Chartered Financial Analyst).
Solche Programme sind oftmals sehr anstrengend, zumal sie zumeist berufsbegleitend erfolgen. Zudem kosten sie im Allgemeinen auch eine ganze Stange Geld. Da stellt sich die Frage, ob sie sich wirklich lohnen und worauf bei der Auswahl eines geeigneten Weiterbildungsprogramms zu achten ist.
Wann sind Weiterbildungen sinnvoll?
Wenn die Lernkurve im Job steil und bereichernd sei, sei es nicht notwendig, alle zwei bis fünf Jahre eine externe Weiterbildung zu machen, sagen Klaus Biermann und Jonas Neff von BiermannNeff Headhunters. Sie sind unter anderem in den Bereichen Asset- und Wealth-Management tätig. «Ist dies aber nicht der Fall, kann eine Weiterbildung eine gute Basis schaffen, um für andere Aufgaben interessant zu werden – intern und extern.» Als Beispiel dafür nennen sie einen Analysten oder Produktmanager in der Finanzbranche im Alter von Mitte dreissig. Habe dieser keinen CFA oder CAIA (Chartered Alternative Investment Analyst), solle er durchaus eine solche Weiterbildung in Betracht ziehen.
«Gerade in den ersten Jahren der Karriere sollte die berufliche und fachliche Entwicklung auch von Aus- und Weiterbildungsmassnahmen begleitet werden», sagen Biermann und Neff. Im Laufe der Jahre nehme die Bedeutung möglicherweise etwas ab. Im Zeitalter von Digitalisierung, neuen Assets, ESG und erweiterten Führungsspannen seien Weiterbildungen aber wichtig. «Kandidaten, die diese Entwicklung nicht mitmachen, sich also nicht kontinuierlich weiterbilden, sind sicherlich schlechter positioniert als Personen, die aktuell ‹perfekt› erscheinen», sagen die Headhunter.
Erik Wirz von Wirz & Partners Executive Search sieht es ähnlich. «Bei Führungspersönlichkeiten analysieren wir einerseits, ob und, wenn ja, welche Weiterbildung stattgefunden hat sowie ob diese im Kontext der jeweiligen Rolle und Aufgabe steht», sagt er. Dabei gehe es um die Verbindung von passenden Weiterbildungen, aufbauend auf einer fundierten Basisausbildung, kombiniert mit einem entsprechenden Karriereverlauf. «Je nach Rolle ist die permanente Weiterbildung ein Muss, um überhaupt weiterhin kompetent die Verantwortung wahrnehmen zu können», sagt Wirz.
Es gibt keine Zauberformel
Ob sich Weiterbildungen lohnen, lässt sich pauschal nicht sagen. Eine Weiterbildung könne aus verschiedensten Gründen angestrebt werden, aus reiner Neugierde, um die Basisausbildung zu ergänzen, um einen nächsten Karriereschritt zu planen, um sich in einer neuen Rolle zu behaupten oder um sich in einer neuen Industrie zu etablieren, sagt Wirz. Ob sich eine Weiterbildung lohne, sei immer abhängig vom jeweiligen Kontext, von der Rolle, dem Karrierepfad sowie dem Entwicklungspotenzial in der Firma.
«Eine Zauberformel gibt es nicht», sagt auch Nicole Meier, Ressortleiterin Bildung und berufliche Aus- und Weiterbildung beim Schweizerischen Arbeitgeberverband. Wer eine Weiterbildung anstrebt, sollte indessen folgende Punkte beachten.
Die Weiterbildung sollte zur Karriereplanung passen: Eine Weiterbildung bildet oft die Basis für einen nächsten Karriereschritt. Die Weiterbildung sollte laut Wirz passend in die Karriereplanung eingebaut werden und nicht nur der «Sammlung» eines weiteren Abschlusses oder Titels dienen. «Ein Weiterbildungsprogramm muss zu der beruflichen Situation, in der man sich befindet, passen», sagt auch Theres Kuratli, stellvertretende Ressortleiterin Weiterbildung und Projektförderung beim Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI).
Klare Ziele setzen und eine genaue Auswahl treffen: Kuratli rät, sich für das Weiterbildungsprogramm klare Ziele zu setzen. Geht es um das berufliche Weiterkommen und/oder mehr Lohn, sollte man klar analysieren, ob sich dies mit der Weiterbildung erreichen lässt. Brigitte Christe, Leitung Weiterbildung beim Führungskräfteverband Swiss Leaders, rät, sich die klassische Frage aus dem Vorstellungsgespräch zu stellen: «Wo will ich in fünf Jahren stehen?» – und anhand dieser Ziele die entsprechenden Weiterbildungsangebote zu analysieren.
Abschluss mit Diplom oder Zertifikat: Laut Christe sollte ein Weiterbildungsprogramm überdies mit einem anerkannten Diplom oder Zertifikat abgeschlossen werden. Es gehe darum, hochwertige Weiterbildungen zu absolvieren, die im Curriculum einen Wert hätten. Viele Unternehmen schätzten aufgrund der Praxisorientierung eidgenössische Prüfungen und die Programme der Fachhochschulen.
Hohe eigene Motivation und Signale des Arbeitgebers: Weiterbildungsprogramme sind oftmals sehr aufwendig, die entsprechende Person braucht dann folglich eine hohe Motivation und Stehvermögen, um sie durchzuziehen. Biermann und Neff erachten eine Weiterbildung besonders dann für sinnvoll, wenn man sie selbst will und als gute Investition betrachtet. Ein Grund kann auch sein, dass der Arbeitgeber oder mögliche Interessenten hierfür klare Signale setzen. «Wir erleben immer wieder Kunden, die beispielsweise einen CFA bei den Kandidaten als Grundvoraussetzung sehen», sagen die Headhunter.
Der Netzwerk-Aspekt ist wichtig: Neben den Inhalten der Fortbildung ist bei vielen Weiterbildungen auch das Networking ein wichtiger Faktor. Bei entsprechenden Weiterbildungsprogrammen gerate man in einen Kreis von Personen, die ähnliche Karriereziele verfolgten, sagt Kuratli. Dies könne attraktiv für das eigene Weiterkommen sein. Der Netzwerk-Aspekt sei von Gewicht, da eine renommierte Universität hochkarätige Talente anziehe, wenn es bei der Weiterbildung um ein Führungsthema gehe, sagt auch Wirz. Solche Netzwerke seien wertvoll für die Karriereentwicklung.
Der Arbeitgeber sollte mitspielen: Zudem gilt es als wichtig, ein geplantes Weiterbildungsprogramm mit dem Arbeitgeber zu besprechen und im Voraus abzuschätzen, wie dieser dazu steht – vor allem natürlich, wenn man sich erhofft, dass er das Weiterbildungsprogramm (mit)finanziert. «Idealerweise geht der Arbeitnehmer den Weg der Weiterbildung gemeinsam mit dem Arbeitgeber und zeigt diesem auf, was das Ziel der Weiterbildung ist», sagt Meier vom Arbeitgeberverband. Der Arbeitgeber sei zumeist dann an einer Weiterbildung interessiert, wenn es dem gegenwärtigen Beruf diene oder wenn die Weiterbildung die Person für einen absehbaren betrieblichen Karriereschritt weiterentwickle. Schwierig könne es werden, wenn die Thematik der Weiterbildung «zu weit weg von dem ist, was der Mitarbeiter beruflich macht». Dasselbe sei der Fall, wenn der Arbeitgeber nicht genau nachvollziehen könne, was der Inhalt der Weiterbildung sei, sagt Meier.
Sollte der Arbeitgeber mitbezahlen?
Viele Weiterbildungsprogramme sind teuer – vor allem die besonders guten und renommierten –, und so stellt sich schnell die Frage der Finanzierung. Laut Kuratli beteiligen sich Arbeitgeber in der Schweiz in hohem Masse an den Kosten für Weiterbildungen. 73 Prozent der Personen, die in der Schweiz an beruflicher Weiterbildung teilnehmen, entstehen folglich dadurch keine Kosten.
«Arbeitgeber fördern vor allem die Mitarbeitenden, die schon eine gute Bildung haben», sagt Kuratli. Oftmals seien Weiterbildungsprogramme ein «Goodie» an Leute, die für das Unternehmen oder die Institution wichtig seien. Die Finanzierung einer umfangreichen Weiterbildung wird vom Arbeitgeber oftmals mit einer Weiterbildungsvereinbarung geregelt, die eine Rückzahlung vorsieht, sollte der Mitarbeitende die Firma vor Ablauf der vereinbarten Zeit verlassen.
Auch laut Biermann und Neff ist es gängige Praxis, dass Arbeitgeber bei Weiterbildungsprogrammen (mit)bezahlen. «Es ist allerdings auch üblich, dass man sich an den Kosten beteiligen muss, wenn man den Arbeitgeber wieder verlässt. Diese Kosten werden dann aber meist vom neuen Arbeitgeber übernommen.» Wirz sieht die Finanzierung von Weiterbildungsprogrammen als üblich an, wenn diese mit den Vorstellungen der Firma über den Karrierepfad abgestimmt seien. Teilweise würden solche Programme auch aktiv seitens der Firmen gefördert, sagt er. So arbeiten grosse Firmen bei Executive-Programmen oftmals eng mit den Top-Universitäten in den jeweiligen Bereichen zusammen.
Laut Christe helfen Weiterbildungsprogramme Arbeitgebern oftmals dabei, Mitarbeitende zu binden und das eigene Image hoch zu halten. Wer sich weiterbilde, sei oftmals sehr agil und ehrgeizig. «Solche Leute will man ja im Unternehmen haben», sagt sie.