Netzwoche, Die Suche nach dem Einhorn, oder die Suche nach IT- Spezialisten
Finden, ködern, fördern – fünf Tipps für die Suche nach IT-Spezialisten
von Oliver Schneider
Schweizer Unternehmen suchen händeringend nach IT-Spezialisten. Da ist guter Rat teuer. Die Redaktion hat nach den besten Tipps gesucht – und fünf gefunden.
Schweizer Unternehmen sind auf der Suche nach IT-Spezialisten. Laut dem Stellenvermittler Hays waren im Sommer 2019 mehr als 20 000 Stellen im IT-Bereich ausgeschrieben. Besonders begehrt sind Softwareentwickler, Java-Entwickler, IT-Berater, IT-Supporter und Webentwickler. Spring Professional meldete im vergangenen November, dass Informatikberufe in der Deutschschweiz das meistgesuchte Stellenprofil seien. Wie behaupten sich Arbeitgeber in diesem Kampf um Fachkräfte? Was gilt es zu beachten? Fünf Tipps von ICT-Berufsbildung Schweiz, dem Headhunter Wirz & Partners Management Consulting, dem Personalberater Robert Half, dem IT-Dienstleister UMB, dem Entwickler Avaloq und der Migros.
1. Gehen Sie auf Kandidaten zu!
Stellenportale wie Jobs.ch sind immer noch Orte, wo sich potenzielle Arbeitnehmer und Arbeitgeber finden. In einer Branche wie der IT reicht ein Inserat im Jahr 2020 aber nicht mehr, sind sich die Befragten einig. „Traditionelle Rekrutierungskanäle, wie etwa das Schalten einer Stellenanzeige, funktionieren nicht mehr oder nur bedingt“, schreibt Philipp Knapp, Senior Manager von Robert Half. Da IT-Spezialisten sehr gefragt seien, würden sie meist direkt angesprochen und müssten keine Inserate mehr durchforsten. Das bedeutet für die Unternehmen: Sie müssen dorthin, wo die Bewerber sind. Active Sourcing nennt sich das. „Im IT-Arbeitsmarkt, wo es wenige Aktivbewerbungen gibt, ist diese Methode unabdingbar“, sagt auch die Migros. Hierbei spiele das Netzwerk der bestehenden Mitarbeiter eine wichtige Rolle, heisst es vonseiten Avaloq und UMB. Avaloq besuche zudem Events wie Karrieremessen und Hackathons. Auch Plattformen für Entwickler wie Github oder Stack Overflow nutze die Fintech-Firma.
2. Bieten Sie mehr!
Ist der Wunschkandidat gefunden, muss er motiviert werden. „Der Lohn ist hierbei auch 2020 immer noch ein zentrales Argument“, sagt Serge Frech, Geschäftsführer von ICT-Berufsbildung Schweiz. Vor allem bei den Jungen sei das Gehalt ein wichtiges Kriterium. Reifere Mitarbeiter wollten eher ein gutes Gesamtpaket in Bezug auf berufliche Vorsorge, Arbeitsort, Arbeitsweg und Arbeitsplatz. Die Kunst ist es, dieses Paket so zu schnüren, dass es sich von den Mitbewerbern abhebt.
Die Migros setzt dabei auf spannende Aufgaben, ein attraktives Arbeitsumfeld und Vielfalt. UMB erwähnt den Great Place to Work Award, bis zu neun Wochen Ferien pro Jahr und die Möglichkeit, an der strategischen Entwicklung des Unternehmens mitzuwirken. Bei Avaloq werde unternehmerisches Denken und Handeln gefördert und man werde ermutigt, gemeinsam neue Ideen und Lösungen zu erarbeiten. Etwas müsse sich jede Firma bewusst sein, die aktuell IT-Spezialisten suche, sagt Erik Wirz, Managing Partner von Wirz & Partners Management Consulting: Im aktuellen Marktumfeld bewirbt sich nicht der Kandidat bei der Firma, sondern die Firma beim Kandidaten.
3. Investieren Sie in Talente!
Geht es um die Attraktivität als Arbeitgeber, stellt die Mehrheit der Befragten die Weiterentwicklung in den Vordergrund. Im Wettbewerb um Fachkräfte sehen sie Firmen im Vorteil, die ihren Angestellten eine Perspektive bieten. Laut Frech ist die Ausbildung überhaupt der Schlüssel bei der Bekämpfung des Fachkräftemangels: „Es läuft in der ganzen Fachkräfte-Wertschöpfungskette etwas schief. Zu wenige Junge entscheiden sich für IT-Berufe. Und für die, die eine Lehre machen wollen, bieten die Unternehmen zu wenige Lehrstellen an.“ Lehrstellen seien deshalb die beste Möglichkeit, um den eigenen IT-Fachkräftebedarf zu sichern.
Investitionen empfiehlt Frech auch an anderer Stelle. Um Spezialisten an- beziehungsweise abzuwerben, sei es sinnvoll, den bestehenden Mitarbeitern Anreize wie einen Akquisitionsbonus zu bieten. „Die Wurzel des Fachkräftemangels liegt nicht in der Rekrutierung“, bestätigt auch Erik Wirz. Der Einsatz von Technologie in den verschiedensten Branchen und Funktionen verändere die Berufsbilder in der Schweiz. Die Ausbildung hinke dem dadurch entstandenen Bedarf nach Spezialisten seit Jahren hinterher. Unternehmen sollten also sicherstellen, dass sich die Mitarbeiter entwickeln können.
4. Zeigen Sie Flexibilität!
Der Rückstand bei der Ausbildung ist ein Grund für den Fachkräftemangel. Ein weiterer sei hausgemacht, sagt Knapp von Robert Half. In vielen Unternehmen fehle es an Flexibilität. Im Raum Zürich etwa spüre der Personalberater eine Hemmnis, Bewerber mit wenig oder keinen Deutschkenntnissen einzustellen. Dies, obwohl IT-Abteilungen in der Regel sowieso englischsprachig seien. Ausserdem setzten suchende Unternehmen häufig einschlägige Berufserfahrung im Schweizer Markt voraus.
Im IT-Umfeld seien solche aber gar nicht ausschlaggebend. Wichtiger seien die Fachkenntnisse, die ein Bewerber mitbringe. Diese Skepsis gegenüber internationalen Bewerbern und Quereinsteigern müsse sich ändern. Zwei Firmen haben das erkannt. Avaloq suche als globales Unternehmen weltweit nach Mitarbeitern. Die Migros sei offen für Kandidaten ab 50, genauso wie für Junior-Profile.
5. Geben Sie Aufgaben, die begeistern!
Ob sich ein Kandidat für oder gegen einen Arbeitgeber entscheidet, hängt von vielen Faktoren ab. Zwei heben die befragten Organisationen besonders hervor: Die Aufgabe und die Firmenkultur. „Der grösste Anreiz für Programmierer ist die Technologie“, schreibt Robert Half. Schweizer Firmen seien deshalb gefordert, in einen modernen Arbeitsplatz, neueste Technologien und ein breites Aufgabengebiet zu investieren, wenn sie Fachkräfte für sich gewinnen möchten.
Migros und Avaloq verweisen auf spannende Herausforderungen, eine moderne Unternehmenskultur, Employee Engagement und ein kollegiales Umfeld. Letztlich ist es ein Mix, der eine Firma attraktiv für Fachkräfte macht, wie die Umfrage zeigt. „Am Ende des Tages muss die Aufgabe interessant sein, die Bezahlung muss stimmen und die Entwicklungsmöglichkeit muss da sein“, fasst Serge Frech zusammen.