HR Today, Frauen im Verwaltungsrat in der Schweiz
Erik Wirz im Interview mit HR Today von: Corinne Päper
Das revidierte Aktiengesetz verpflichtet börsenkotierte Unternehmen, ihren Verwaltungsrat mit mindestens 30 Prozent Frauen zu besetzen.
1. Sind die Schweizer Firmen vorbereitet?
In den letzten Jahren beobachten wir einen generellen Trend in die angestrebte Richtung, sehen aber das sich viele Firmen nach wie vor schwer tun in der Umsetzung. Die Zusammensetzung des Verwaltungsrats kann anhand von verschiedensten Aspekten erfolgen, diese treiben dann die Wahl der VR Mitglieder. Wenn neben traditionellen Aspekten, wie: Renommee, Marktzugang, Glaubwürdigkeit/Vertrauen, Industrie-Wissen, andere Aspekte ebenfalls in die Auswahlkriterien einfliessen, dann findet meist eine Umschichtung im VR statt.
2. Was muss unternommen werden?
Ein Überdenken der Zusammensetzung des Verwaltungsrats sollte als Chance gesehen werden. Die Aussenwirkung eines VR lässt sich nicht darauf reduzieren, wie viele Männer oder Frauen im VR einer Firma zu finden sind. Um nur einen Aspekt aufzugreifen, Employer Branding beginnt ebenfalls im VR. Die Attraktivität einer Firma als potenzieller Arbeitgeber wird in der heute transparenten Welt der Arbeitnehmer bereits auf VR Stufe mitdefiniert. D.h. wenn die Firmenkultur nur bis und mit Top Management greift und sich dann nicht im VR spiegelt, kann die Glaubwürdigkeit einer Strategie und oder einer kommunizierten Firmenkultur negativ beeinflusst werden. Die Veränderung sollte top down und bottom up erfolgen, sonst leidet die Glaubwürdigkeit.
3. Welche Verantwortung haben wir als Gesellschaft?
Es beginnt in der Schule. Wir beobachten, dass in der Schule noch immer Klischees bedient werden, ua dass Mädchen mit hohem Potenzial weniger identifiziert und gefördert werden. Wenn wir die % der Mädchen analysieren, welche akzeleriert (Klassen überspringen) werden oder in Pull outs gezielt gefördert werden im Verhältnis zu Buben, sehen wir bereits hier die Basis von dem Effekt, welchen wir später in der Studienwahl beobachten. D.h. uns fehlen Frauen, die die entsprechenden Studienrichtungen wählen. In der Schweiz beobachten wir in den Rollen, HR, Marketing, PR, Compliance, Legal eine hohe Dichte von Frauen auf C-Level, in den restlichen Rollen ist der Anteil Frauen sehr tief.
Eine Veränderung in der Schule, der Identifikation von weiblichen Talenten, kombiniert mit familienfreundlichen Arbeitsmodellen und einem generellen Umdenken was die Pensen von C-Level Rollen anbelangt, wird zu einer höheren Zahl von qualifizierten Frauen für den VR führen.
4. Warum werden immer die gleichen Personen als Verwaltungsrat gewählt?
Wir bezeichnen diesen Effekt als Wahl des offensichtlichen, die sichere Wahl. Wenn wir xy wählen, der/die bereits in mehreren renommierten Firmen im VR sitzt, wird die Wahl niemand hinterfragen. Potenziell, oder vermeidlich eröffnet dies auch einen besseren Zugang zu was auch immer im Zentrum der wichtigen Auswahlkriterien steht. Wenn andere Aspekte für die Auswahl ebenfalls berücksichtigt werden, kann damit die Heterogenität nicht nur gender- seitig erfolgen, sondern auch als möglicher interdisziplinärer Fundus für neue strategische Inputs dienen.
5. Risiken einer Machtkonzentration, fehlende Governance?
Die Wahl auf sogenannte Multi VR’s fällt oft aufgrund der obengenannten Kriterien. Bringt in vielen Fällen sicherlich auch einen gewünschten Effekt. Tendenziell kann es aber zu einem Einheitsbrei bei der Meinungsbildung führen und Innovation bremsen, da tendenziell identische Interessen vertreten werden.
6. Wären jüngere Verwaltungsratsmitglieder nicht erstrebenswert?
Eine Durchmischung auch altersseitig bringt Vorteile mit und neue Impulse. Interessen und auch Ansichten liegen tendenziell anders und befruchten den Austausch. Wichtig ist bei all diesen Themen, dass die Qualität bei der Auswahl nicht unter sturen Vorgaben leidet, dies hätte wieder einen gegenläufigen Effekt.
7. Wie werde ich Verwaltungsrat?
Viele Kandidaten treten an uns heran, Sie möchten jetzt VR Mandate übernehmen. Eine VR Besetzung sollte wie jede andere Besetzung in einer Firma einem Ziel folgen, welches in diesem Fall aus der Strategie und der aktuellen Zusammensetzung des VR abgeleitet werden kann. Daher wird bei der Besetzung eines VR’s der Mehrwert einer Person welche sich für die Wahl stellt, sich über die Kombination zwischen persönlichen und fachlichen Aspekten definieren.
8. Wie sieht ein ideales Profil aus von einem Verwaltungsrat?
Wenn jemand die Tätigkeit als VR anstrebt, sollte die Person im jeweiligen Bereich relevanten Mehrwert in den VR einbringen können. Dies geschieht oft durch einen entsprechen Erfolgsnachweis in einer Industrie, einem C-Level track record, sowie einer ausgeprägten emotionalen Intelligenz, kombiniert mit entsprechenden Entwicklungspotential.
9. Wie werde ich als potentieller Verwaltungsrat identifiziert?
Ein entsprechender CV mit entsprechendem Palamrès, kombiniert mit einer Markt- Wahrnehmung für die entsprechenden Leistungen, sowie den daraus resultierenden Beziehungen sind ideale Voraussetzungen das jemand auf den Radarschirm kommt, für die Besetzung einer VR Position.
10. Welche Ausbildung benötigt ein Verwaltungsrat?
Eine fundierte Ausbildung kann es vereinfachen, ist alleinstehend aber kein Grant, da hier mehr als sonst das Geleistete und die entsprechende Würdigung des relevanten Marktes zählt.
11. Wie kommt Frau überhaupt an ein VR-Mandat?
Das Netzwerk, die Leistung, sowie die Persönlichkeit sind bei der Frau wie auch bei einem Mann am Ende entscheidend. D.h. wenn die Ambition und das Ziel besteht, dann wird aktuell eine Frau ideale Voraussetzungen antreffen um für eine VR Position nominiert zu werden.