ORGANISATOR, Auch eine Führungskraft ist nur ein Mensch

ORGANISATOR, Auch eine Führungskraft ist nur ein Mensch

Organisator im Interview mit Wirz & Partners

 

«Das Kader ist belastbar» – so hiess es stets. Oder besser: Heisst es vielleicht immer noch häufig in den Teppichetagen. Nur, stimmt das auch tatsächlich?

 

 

 

VON THOMAS BERNER UND RETO WILHELM

 

Wie resilient, widerstandskräftig und transformationsfreudig also sind sie wirklich, unsere Manager*innen? Einer, der laufend Führungskräfte rekrutiert, muss es wissen: Erik Wirz von Wirz & Partners AG in Zug. Er äussert sich im Interview zu Anspruch und Wirklichkeit.

 

Herr Wirz, hinter uns liegen zweieinhalb bewegte Jahre Pandemiebewältigung. Und vor uns liegt eine Welt, die so unberechenbar erscheint wie kaum zuvor. Was macht dies mit Manager*innen? Oder anders gefragt: Wodurch zeichnen sich resiliente Manager*innen heute aus?

ERIK WIRZ: Aus unserer Sicht sind es Faktoren wie Erfahrung, Ausgeglichenheit, aber auch ein Sinn fürs Wesentliche, die resiliente Führungskräfte heute ausmachen. Hinzu kommen ein ausgeprägter Durchhaltewille und die richtige Portion Neugierde.


Wie lässt sich Resilienz bei Führungskräften messen?
Ein wirkliches Messen wird es nicht sein, da sich Resilienz zeigt, wenn die Situation überraschend und neu ist sowie in der Summe so noch nie stattgefunden hat. Allerdings zeigt die Performance der Organisation in schwierigen Umfeldern mehrheitlich ein klares Bild. Wenn eine Führungskraft es schafft, in unvorhersehbaren Situationen den Kurs und die Pace zu halten, dann lässt dies meist schon einen Rückschluss auf die Resilienz der Führungsperson zu. Denken Sie an ungeplante Umsatzeinbrüche, steigenden Kostendruck, Lieferkettenprobleme, KPIs wie Mitarbeitendenfluktuation und -unzufriedenheit etc. All dies sind Indikatoren dafür, wie die Führungsperson mit Druck umgeht und ob sie fähig ist, die Organisation trotz widriger Umstände zum Erfolg zu führen. Wenn eine Führungskraft in ihrem Palmarès es mehrmals geschafft hat, unter solchen Umständen die Mannschaft nicht zu verlieren und erfolgreich zu sein, sagt dies definitiv viel über diese Person aus.

 

Sind Assessments immer noch ein Mittel der Wahl?
Die Frage würde ich nicht generell mit Ja oder Nein beantworten. Die Frage, die sich eher stellt, lautet: Warum wird ein Assessment durchgeführt? Dafür gibt’s die unterschiedlichsten Beweggründe:

 

• Weil man es immer macht
• Weil man ohne Assessment nicht
entscheiden kann oder will
• Weil man feststellen lassen will, ob
man etwas während der Rekrutierung nicht «gesehen» hat

• Um den persönlichen Eindruck der im Rekrutierungsprozess involvierten Entscheider (Bias) zu relativieren

• Um Persönlichkeiten zu analysieren und das Differenzial zwischen aktuellem Führungsteam und -stil sowie neuer Führungsperson zu eruieren

• Um das Potenzial von Führungskräften zu erkennen und diese gezielt zu fördern

 

Mit der richtigen Intention, professionell durchgeführt und von ausgebildeten Fachkräften interpretiert, ergibt das Instrument des Assessments durchaus Sinn. Selbstverständlich muss die Basis eine bekannte Methode darstellen und die Durchführung in den Händen eines bekannten Spezialisten liegen.

 

Leadership, Empathie, Entscheidungsstärke, Wirksamkeit als Vorbild – ein Wunschkonzert. Fast schon Übermenschliches, was Führungskräfte heute beherrschen sollten ...

Eines vorweg: Auch eine Führungskraft ist nur ein Mensch. Authentizität und Offenheit sowie «walk the talk», wie man so schön sagt, zahlen sich immer aus. Aber: Die Resilienz einer Firma hängt nicht allein von der Führungskraft ab. Entscheide wie zum Beispiel Anpassungen beim Geschäftsmodell, die Nutzung von innovativen Technologien in der Organisation führen ebenfalls zu der Erhöhung der Resilienz einer ganzen Firma respektive einer Organisation. Aus unserer Sicht hat sich der Anspruch an die Resilienzfähigkeit nicht gross verändert, sie wurde einfach in den letzten Jahren öfter auf die Probe gestellt. Oder anders gesagt: Einige Führungskräfte kannten nur Schönwettersituationen – und diese Zeiten sind für viele Firmen vorüber.

 

Wie wirken sich neue Führungsmodelle wie Holokratie, das Arbeiten mit keinen oder flacheren Hierarchien, auf die Anforderungen an Führungskräfte aus? Wird «Führen» immer schwieriger?
In modernen Organisationsformen erfolgt «Führen» in einem Servant-Leadership- Approach. Das heisst: Die Führungskraft ermöglicht, motiviert, stellt die Kommunikation im Team sicher, agiert als Wertevorbild, ist also ein natürliches Vorbild, und überzeugt durch Empathie. Vor allem zeigt sie wirkliches Interesse am Menschen und an der jeweiligen Situation des Einzelnen.

 

Wenn überhaupt – wie lässt sich Resilienz trainieren?
Ganz einfach: Indem man sich als Führungskraft aus seiner Komfortzone begibt. Gleiches gilt für die Organisation. Bekannte Muster und Vorgehensweisen gilt es bewusst ans Limit zu führen. Denn so macht man sich selbst und die Organisation fit fürs Neue, fürs Unbekannte auch.

 

Wann dürfen Chefs auch mal Schwäche zeigen – und welche Wirkung lässt sich damit allenfalls auch bei der Belegschaft erzielen?

Jeder Mensch hat Limiten, diese zu zeigen ist eher ein Zeichen von Stärke und Persönlichkeit. So entstehen Empathie und gegenseitiges Vertrauen. Denn nur wer sich öffnet, kann erwarten, das sich sein Gegenüber ebenfalls öffnet. Anders ausgedrückt: Führungskräfte, die nie Schwäche zeigen, wirken kaum authentisch. Eher vermitteln sie ein Bild von Überheblichkeit und haben offensichtlich kein Vertrauen in die eigene Organisation. Oft ist dieses Verhaltensmuster bei Führungspersonen zu beobachten, die nur vordergründig stark sind, ein ausgeprägtes Ego aufweisen, welches es nicht erlaubt, Schwäche zu zeigen meist aufgrund fehlenden Selbstvertrauens.

 

Sie haben Einblick in verschiedene Branchen. Welche Unterschiede stellen Sie da fest? Wo wird eine besonders hohe Resilienzfähigkeit benötigt und wo zählen andere Faktoren mehr?

Ich denke, dass die Resilienzfähigkeit eine Qualifikation ist, die jede Industrie heute voraussetzt. Wann und in welcher Form diese dann auf die Probe gestellt wird, ist dann eine andere Frage. Wenn eine Führungsperson beispielsweise mit der Situation einer Restrukturierung konfrontiert wird, ist dies sicherlich eine ausserordentliche Herausforderung. Resilienzfähigkeit also nur isoliert zu betrachten wäre falsch.

 

Wie schwierig ist es für Sie als versierten Headhunter, besonders «exponierte» Positionen zu besetzen?

Ich denke hier an Unternehmen und Organisationen, welche stark in der Öffentlichkeit stehen. Führungskräfte und Persönlichkeiten, die auf solche Profile passen und entsprechende Erfahrung mitbringen, sind es sich gewohnt, dass damit eine höhere Visibilität einhergeht. Allerdings ist das Verhalten der Führungskraft in Bezug auf Selbstdarstellung, Ego und Aussenwirkung, Kommunikation, Wahl der Medien und Kanäle eher ausschlaggebend als die effektive Exposition im Beruf.

 

Zum Schluss: Nebst Resilienzfähigkeit bei Managern-/innen, welche Trends im Headhunting- und Unternehmensberatungsgeschäft beobachten Sie aktuell?

Wir leben in einem Paradox: Wir leben in einem Markt, in dem de facto Vollbeschäftigung herrscht. Umso schwieriger gestaltet sich die Suche nach geeigneten Führungskräften für die meisten Firmen. Dies gilt auch für uns Headhunter. Bloss das Netzwerk von «alten» Kandidaten/- innen auszuschöpfen, reicht kaum noch. Vor allem beobachten wir in diesem Kontext, dass der Nimbus und klingende Namen keine Voraussetzungen mehr sind, um ein Mandat zu gewinnen oder um attraktiv genug zu sein für potenzielle Kandidaten/-innen. Kompetenz im Thema, Relevanz als Brand, Spezialisierung und eine klare Positionierung – gepaart mit hoher Qualität und Verbindlichkeit im Rekrutierungsprozess – sind heute relevanter als je zuvor, für die Kunden*innen wie auch für die Kandidaten*innen notabene.

 

 

 

 

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