Tagesanzeiger im Interview mit Erik Wirz

Tagesanzeiger im Interview mit Erik Wirz

Erik Wirz im mit dem Tagesanzeiger, Novartis Stellenabbau 2022

 

von:Isabel Strassheim,

Für viele Mitarbeitende ist der Stellenabbau bei Novartis ein Glücksfall
Der Abbau von 1400 Arbeitsplätzen in der Schweiz klingt zwar dramatisch. Doch rund die Hälfte davon trifft Führungskräfte, und sie dürften beim Wechsel zu anderen Pharmafirmen höhere Löhne durchsetzen.

Novartis-Chef Vasant Narasimhan hat einen drastischen Stellenabbau verkündet.

 

Jede dritte Führungsstelle in der Schweiz wird durch Headhunter besetzt. Wenn es in einer Firma zu wackeln beginnt, wittern sie das meistens als Erste. Der nun offiziell angekündigte Stellenabbau des Pharmakonzerns war von vielen erwartet worden. So verzeichneten Vermittler schon seit vergangenem Herbst eine überdurchschnittliche Zahl von Managerinnen und Managern von Novartis, die sich bei ihnen meldeten, weil sie den Konzern verlassen wollten.
«Wir haben das sehr früh gespürt», sagt Headhunter Erik Wirz. Novartis verzeichnet jedoch keinen verstärkten Weggang von Angestellten, dieser liegt stabil bei rund 7 Prozent.

 

Ende 2021 kamen Berichte auf, Novartis-Chef Vas Narasimhan gelte als angezählt. Damals begannen die ersten Mitarbeitenden mit einer neuen Jobabbau-Welle zu rechnen. Job-Kürzungen sind für die Betroffenen oft persönliche Dramen. Denn sie sorgen sich, in der Region nichts Passendes mehr zu finden und dann Abstriche beim Lohn machen oder umziehen zu müssen.
Für viele Novartis-Kaderleute sieht es dagegen viel besser aus: Wenn sie den Konzern verlassen, dürften sie beim erzwungenen Jobwechsel am Ende sogar ein höheres Einkommen erzielen. Wie viel genau, hängt dabei vom jeweiligen Profil ab.

Novartis und Roche sind die Topfirmen auf dem Basler Arbeitsmarkt und schnüren laut verschiedenen Insidern die dicksten Gesamtpakete. «Wenn eine Topmanagerin von Novartis zu einer anderen Firma wechselt, verlangt sie mehr Lohn und einen Antrittsbonus», erklärt Wirz. Denn Spitzenkräfte verlieren bei einem freiwilligen Weggang meist ihre Langfrist-Boni, die sie eigentlich an das Unternehmen binden sollten. Diese wollen sie kompensieren. Nimmt man als Rechenbeispiel einen Basislohn von 500’000 Franken, ist ein Langzeit-Anreiz von 150’000 oder mehr nicht unüblich.

Nur Forschende in der Pharmaindustrie zieht nicht das hohe Einkommen, sondern eher die Ausstattung des Labors und die hochkarätige Zusammensetzung eines Teams an. Zwar betonen Chefs und Mitarbeitende der Pharmaindustrie, wie wichtig ihnen die Sinnhaftigkeit der Arbeit ist. Und wie in anderen Branchen ist gerade bei Jungen die Firmenkultur ein immer stärkeres Kriterium bei der Jobsuche. Gerade Novartis und auch Roche haben sich da in den vergangenen Jahren wesentlich gewandelt. Forschungsmitarbeitende legen vor allem auf das wissenschaftliche Renommee ihres Teams Wert legen. Für andere Angestellte der Pharmaindustrie ist jedoch die Höhe des Einkommens meist das entscheidende Kriterium. Erfolgreiche, sinnvolle Arbeit spiegle sich eben auch im Lohn, meint ein Manager.
Vom jüngst angekündigten Massenabbau bei Novartis sind keine Forschungsmitarbeitende, sondern Verwaltungs- und Marketingstellen betroffen. Der Konzern legt Sparten zusammen, und etwa die Hälfte der angekündigten Kürzungen trifft dabei Kaderleute. Die Krebs-Heilmittel werden künftig zusammen mit den anderen rezeptpflichtigen, patentgeschützten Medikamenten vermarktet. Zudem verschmelzen die Geschäftseinheiten für die Produktion und Administration. Damit werden nicht nur einfache Posten, sondern auch eine Reihe von Stellen im mittleren Management hinfällig. Insgesamt will Novartis in den nächsten drei Jahren in der Schweiz 1400 Stellen kürzen, weltweit sind es 8000. Für das Kader wird dabei ein separater Sozialplan ausgehandelt.

 

Einfache Angestellte im Finanz- und Rechnungswesen, die bei Novartis ihre Stelle verlieren, landen auf dem normalen Arbeitsmarkt. Beim Wechsel weg von der Pharmabranche dürften sie einen Lohnverlust in Kauf nehmen müssen.

Bei Pharma-Kaderleuten ist das anders: Vor allem sie sind in der Branche in Basel gesucht. Und für Headhunter ist das ein Fest.
«Wir haben natürlich stets Bedarf an qualifiziertem Personal in allen Bereichen des Unternehmens», sagt Roche-Sprecherin Nina Mählitz. Die Höhe des Einkommens sei dabei eine Frage des Stellenprofils und könne nicht pauschal beantwortet werden.
Start-ups sehen Novartis Abbau als Chance. Im Moment sind die Headhunter auch von Risiko-Kapitalgebern mit der Suche nach Führungskräften für Start-ups beauftragt. Spitzenleute bevorzugen wegen der Bezahlung meist die beiden Basler Pharmariesen: Geht man von einem theoretischen Basislohn von 200’000 bis 500’000 Franken aus, können dort geldwerte Vorteile von 10 bis 15 Prozent dazukommen – etwa Pensionskasse, Geschäftswagen, SBB-GA, Pauschal-Spesen, Aktien, Fitness-Abo, Beteiligung an Ausbildung, Sabbatical. Für die Pensionskasse kann es zum Beispiel eine sogenannte Belle-Etage-Lösung geben, bei der die Arbeitgeber teilweise bis das Doppelte des vorgeschriebenen Anteils einzahlen.

Start-ups können dagegen lediglich mit Aktienanteilen und der Aussicht auf Kurssteigerungen locken. Zudem spielt die Firmenkultur eine Rolle, die bei Start-ups anders als bei den Konzernen ist. Headhunter Wirz sagt: «Jetzt haben sie eine Chance, damit auch bei Top-Pharmaleuten punkten zu können, denn der Novartis-Abbau bringt starke Bewegung in den Markt.»

 

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